Tradition & Qualität

14. Politisches Saueressen: Handwerk trifft Politik

15. Juli 2021

Auch beim 14. Politischen Saueressen der Kreishandwerkerschaft Pforzheim-Enzkreis, welches dieses Jahr wieder im Kulturhaus Osterfeld stattfand, waren die coronabedingt begrenzten Plätze gut gefüllt. So waren von den insgesamt 20 angeschlossenen Innungen 16 mit ihren Obermeister:innen vertreten. Und auch die Politik war gut vertreten. Von den insgesamt 8 regionalen Abgeordneten aus Bundes- und Landtag nahmen 7 am Gesprächteil:

Katja Mast, MdB (SPD)

Gunther Krichbaum, MdB (CDU)

Prof. Dr. Erik Schweickert, MdL (FDP)

Dr. Bernd Grimmer, MdL (AfD)

Bernd Gögel, MdL (AfD)

Felix Herkens, MdL (Grüne)

Stefanie Seemann, MdL (Grüne)

Kreishandwerksmeister Frank Herrmann (Bild stehend) zeigte sich dann bei der Begrüßung auch sehr erfreut über die gute Resonanz seitens der Politik an diesem schon traditionelle Politischen Saueressen.

Um Zeit zu sparen, stieg man dann auch gleich in die Diskussion ein, wobei man sich für diesen Abend drei Themenfelder vorgenommen hatte:

  1. Klimaschutz / Umweltpolitik / CO2-Bepreisung
  2. Bildung / Ausbildung und Weiterbildung
  3. Finanzen / Steuern / Renten

Für jedes Themenfeld waren 30 Minuten eingeplant. Obwohl stv. KHM Timo Gerstel die Uhr stets fest im Blick hatte, musste man gerade beim ersten Themenblock doch gleich 15 Minuten zugeben, so zahlreich waren die Wortmeldungen aus Politik und Handwerk.

Im Mittelpunkt des 1. Themenblocks standen die bereits spürbaren Auswirkungen der Klimaschutz- und Umweltpolitik sowie der CO2-Bepreisung auf das Handwerk. KHM Herrmann gab zu bedenken, dass am Ende die Zeche von den Verbrauchern zu bezahlen sei, also „von unseren Kunden“. Die Preise für Bauen und Sanieren schießen derzeit durch die Decke und ein Ende der Preisspirale nach oben sei noch nicht in Sicht. Zwar gebe es Fördermittel von Land und Bund, doch „normale Arbeitnehmer“ finde man schon heute so gut wie nicht mehr unter den Häuslesbauern, so der einhellige Tenor der Handwerksvertreter aus dem Bau- und Ausbausektor. Hinzu komme, dass von den Baukosten für ein Eigenheim laut Obermeister Dennig rund 40 Prozent auf Steuern, Abgaben und Gebühren entfielen. „Der Staat verhindert hier soziales Bauen bzw. die Schaffung vom so dringend benötigten erschwinglichen Wohnraum“, so Dennig.

Die Politikvertreter von CDU, SPD, den Grünen und FDP warben für Verständnis für die teils schmerzlichen Einschnitte, welche die Klimaschutz- und Umweltpolitik schon derzeit mitsichbringe. Und man stehe erst am Anfang. Über Fördermittel werde versucht, sozailen Ausgleich zu schaffen und die Menschen mit ins Boot zu nehmen. Nachhaltigkeit bei allem Tun und der Ausbau regenerativer Energien seien laut Katja Mast das Gebot der Stunde. Bundestagsabgeordneter Krichbaum forderte die Städte und Kommunen auf, mehr erschwinglichen Baugrund zu schaffen und auch neue Gewerbegebiete zu erschließen. Das gelte insbesondere auch für die Stadt Pforzheim. Zudem sprach er sich für eine Technologieoffenheit aus, insbesondere was den  Ausbau des Individualverkehrs anbelangt. Alles nur noch auf das Elektroauto zu setzen und den Verbrennungsmotor grundsätzlich zu verdammen, sei kontraproduktiv und ignorant. Alle im Saal waren sich einig, dass wolle man die Energiewende schaffen, man in alle Richtungen weiter forschen und entwickeln müsse. Deutschland habe hier die Chance, weltweit eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Wie ein rote Faden zogen sich die derzeitige Materialknappheit und die teils wahnwitzigen Preissteigerungen bei Baustoffen und sonstgen Materialien durch den Abend. Laut Handwerk wirke sich dies aktuell stärker auf die Konjunktur aus, als die Pandemie selbst. Aufträge müssten storniert oder zu nicht mehr Kosten deckenden Preise ausgeführt werden. Einige Betriebe hätten daher wieder Kurzarbeit angemeldet, obwohl genügend Aufträge vorhanden wären. Eine bislang in diesem Ausmaß noch nie dagewesene Situation, an der laut Bekundung der anwesenden Politker auch die Politik selbst nur sehr wenig ändern könne.

Spannend und nicht weniger konträr ging es auch beim 2. Themenblock, der Bildung/Ausbildung zu. In seinem Eingangsstatement forderte KHM Herrmann die Stärkung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Er machte dies an konkreten Beispielen fest, wie z. B. einer ergebnisoffenen Berufsorientierung an Gymnasium, einer kostenlosen Meisterausbildung analog eines Erststudiums sowie der Sicherstellung der Finanzierung der Infrastruktur gewerblicher und akademischer Bildungseinrichtungen. „Wir brauchen den Zugang zu den Gymnasien“, so der Kreishandwerksmeister. Dr. Erik Schweickert gab zu verstehen, dass sich in den letzten Jahren doch einiges bewegt habe. So konnte die lange geforderte Meisterprämie eingeführt werden – wo die Industriemeister derzeit noch keine Berücksichtigung fänden. Und auch mit der Gründerprämie sei man auf einem guten Weg. Alles koste jedoch eine Menge Geld. Geld, das dann an anderer Stelle fehle.

Einig waren sich alle politische Vertreter wieder in Sachen Zugang zu den Gymnasien. Es könne nicht sein, dass sich diese gegen eine gewerbliche Ausbildung sperrten. Die teils hohen Abbrecherquoten an den Unis zeigten, dass es hier ein genügend großes Potential von jungen Menschen gibt, die durchaus für eine gewerbliche Ausbildung in Frage kämen, von der Schulpolitik, den Lehrern und vor allem den Eltern aber fehlgeleitet werden. Elektrobermeister Kling meinte, an den Gymnasien sei Handwerk ein Tabuthema. Auch das für berufliche Bildung zuständige Regierungspräsidium würde dem Handwerk hier nicht zur Seite stehen, ganz im Gegenteil. Krichbaum und Mast versprachen, sich vor Ort für einen runden Tisch einzusetzen, wo Vertreter des lokalen Handwerks und der Gymnasien zusammensitzen und diesbezüglich in den Dialog treten.

Bundestagsabgeordnete Mast forderte zudem, die zeitliche Befristung von geförderten Umschulungsmaßnahmen durch die Agentur für Arbeit von derzeit 2/3 der Regelausbildungszeit auf die komplette Ausbildungszeit auszudehnen. „Gerade Menschen in einer Umschulungsmaßnahme brächten oftmals nicht die besten Vorasussetzungen mit, um in kürzester Zeit eine Ausbildung abschließen zu können. Gleichzeitig seien Sie aber auf eine auskömmliches Einkomen während ihrer Umschulung angewiesen, da sie oftmals eine Familie zu versorgen und finanzielle Verpflichtungen hätten. Unterstützung bei dieser Fordertung erhielt sie dabei durch KH-Geschäftsführer Morlock, der bestätigte, dass in den letzten Jahren bedingt durch einen Strukturwandel der Trend zu einer nachträglichen Lehre deutlich zugenommen habe. „Hier gibt es durchaus Potential fürs Handwerk“, so Morlock.

Obermeister Butz forderte zudem die Politik auf, sich dafür einzusetzen, dass sogenannte abH-Maßnahmen für Auszubildende mit Bildungsdefiziten auch von Berufsfachschülern in Anspruch genommen werden können. Aktuell wird diese sinnvolle Maßnahme von der Agentur für Arbeit nur für in einer Ausbildung befindliche Jugendliche gefördert. In Baden-Würrtemberg findet aber gerade in den hoch technischen Ausbildungsberufen mit 3,5jähriger Lehrzeit das 1. Lehrjahr in Form einer 1jährigen Vollzeit-Berufsfachschule statt. „Und Schüler:innen haben derzeit eben keinen Anspruch auf solche abH-Maßnahmen“, so Butz.

Friseur-Obermeisterin Nelli Butsch wies auf die Probleme von berufstätigen Frauen, egal ob selbständig oder angestellt, hin. Sie seien bislang die Verlierer der Pandemie. Vereinbarkeit von Familie und Beruf seien noch immer ein Wunschdenken. „Lippenbekenntnisse reichen hier nicht, es müssen klare Maßnahmen folgen, was z. B. Kinderbetreuung, Verdienst sowie die Altersvorsorge von Frauen – Stichwort: Witwenrente – anbelangt“, so die Obermeisterin.

Der letzte Themenkreis gehörte der Frage, wie die Haushalte auf Bundes- und Landesebenen sowie die Rente künftig finanziert werden sollen. Seitens der Politik wollte niemand das Wort Steuererhöhung in den Mund nehmen. Krichbaum stellte aber auch klar, dass es keine Steuersenkungen mit der CDU geben werde. Ziel müsse es sein, künftige Generationen zu entlasten und schon bald wieder zurück zur Schuldenbremse zu kehren. Mast hingegen wollte zumindest die unteren Steuergruppen und den Mittelstand entlasten, gegenfinanziert durch eine Vermögenssteur, die Betriebe nicht belastet.

Nach gut 2 Stunden Diskussion beendete KHM Herrmann die Diskussionsrunde und lud alle zum namensgebenden Saueressen nach unten ins Restaurant „Comedia“ ein. Dort saßen alle noch lange nach dem Essen zusammen und debatierten an den Tischen in kleineren Runden. Ein gelungener Abschluss eines gelungenen Abends.

 

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